Beten

Hast du zum Beten weder Lust noch Trieb,

Dann eben sollst du beten.

In deiner Armut fleh:

„O Vater, gib Mir Kraft, vor dich zu treten!“

Nicht hält die bittre Not den Bettler ab,

Zu klopfen an die Pforte.

Wohlan, so nimm auch du den Bettelstab,

Gestützt auf Gottes Worte.

 

Warum doch gehen wir oft so trüb einher,

Vor Mangel schier verzagend;

Das Herz von Freuden und von Frieden leer,

Den Menschen nutzlos klagend?

Und nahe bei uns ist der Überfluss,

Ist unsers Gottes Fülle!

Hin, Seele, eile, wirf dich ihm zu Fuß,

Dass er dein Dürsten stille.

 

O welchen Wandel kann doch eine Stund,

Verbracht in Gottes Nähe,

Im Herzen schaffen, das da matt und wund

Sich streckt, dass ihn es sehe!

Man kommt so arm und kehret reich zurück,

Tot, und empfängt das Leben;

Betrübt kommt man und findet Trost und Glück:

Wer fleht, dem wird gegeben.

 

O wunderbares Vorrecht! Asch’ und Ton

Darf mit dem Höchsten reden,

Darf bitten, wie zum Vater spricht der Sohn.

Er hört und merkt auf jeden.

Drum brich hindurch, ob auch dein eigen Herz

Dir wollt den Weg vertreten.

Acht nicht auf Lust und Trieb, blick himmelwärts

Und eile, um zu beten!