Gebetserhörung

„O Herr, komm wohn in mir!“,

So flehte ich mit sehnendem Verlangen;

Ich dachte seliglich ihn zu empfangen

Und liege ganz zerschmettert vor ihm hier.

Des Geistes Richten und der Sünde Schmerz,

Sie haben mir gebrochen schier das Herz.

Erhörst du mich denn nicht, o Herr, mein Gott?

 

Und Antwort ward mir vom Herrn Zebaoth:

„Ich wohn im Heiligtum und in der Höh

Und bei zerbrochnen Herzen. Wo ich seh,

Dass man sich beuget still vor meinem Wort,

Da kehr ich ein, da ist mein Ruheort.“

 

„Mach mich dir gleichgesinnt,

Du demutsvoller Herr, dir möcht ich dienen;

Dir ähnlich sein in Wort und Tat und Mienen,

Wie einem Vater ähnlich ist sein Kind!“,

So bat ich in geweihter Stunde oft

Und habe glaubend auf sein Wort gehofft.

 

Und meiner Schwachheit er zu Hilfe kam

Und alle eigne Stärke von mir nahm.

Ins tiefe, dunkle Demutstal hinab

Führt er sein Lamm mit treuem Hirtenstab.

Und wie es zitternd da und weinend steht,

Spricht sanft sein Mund: „Ich hörte dein Gebet“.

 

„Herr, mach mich völlig frei

Von dem, was mich will binden an die Erde.

Hilf, dass mein Sinn und Wandel himmlisch werde,

An deinem Throne meine Heimat sei!“,

So sprach ich einst und wollte, was ich sprach.

 

Doch als ein Sturm mein sichres Nest zerbrach,

Als manche Hoffnungsblüte, rau geknickt,

Zur Erde sank, da hab ich aufgeblickt,

Mit Tränen fragend: „Herr, warum, warum?“

Und deutlich klang’s von seinem Heiligtum:

„Ich nahm das Liebste dir aus Liebe bloß,

Auf dass dein Herz werd ewig frei und los“.

 

Ich rief: „O Tröster wert,

Erfülle du mein Herz, mein ganzes Leben!“

Wie aber kann er seine Fülle geben,

Wenn noch so vieles ihm den Raum versperrt?

Er macht zuvor mich leer und bettelarm,

Dass er sich meiner königlich erbarm.

 

„O Weinstock! Lass mich bringen viele Frucht

Zu deiner Ehre, durch des Geistes Zucht!“

Wie gern erhört er, wenn sein Kind so spricht,

Doch kann des Messers er verschonen nicht.

Die Rebe wird gereinigt. Zart, doch fest

Ist jene Hand, die niemals von uns lässt.

 

Tod ist des Lebens Tor!

So heißt es in dem großen Reich der Gnade.

Nur wer das Eigne achtet eitel Schade,

Der dringt zu himmlischem Gewinn empor.

Mit Jesu sterben, mitbegraben sein,

Führt in das Auferstehungsleben ein.

 

Sich selbst verleugnen, Gottes Willen tun,

as heißt in Freud und Leide selig ruhn.

O Jesu, Jesu! Sei mein Leben du,

Hüll mich in dich und deck mich völlig zu.

Du, Herzog, hast eröffnet uns die Bahn,

Führ mich auf deinem Wege himmelan!