Das desinfizierte Gepäck

Während unserer Missionsreise durch die Karibischen Inseln verlebten Br. Khan, Arlo und ich 12 Tage auf der Insel Trinidad. Sie war auf unserer Reise am weitesten von unserer Heimat entfernt. Unser Geldvorrat war bereits sehr zusammengeschrumpft und reichte nicht mehr zur Heimfahrt, wenn wir die erste Klasse benutzen mussten und keine Fahrpreisermäßigung erhielten.

Arlo und ich hatten uns nämlich entschlossen, den zehnten Teil unseres erhaltenen Reisegeldes für Missionszwecke zu opfern, und schon manchen Dollar hatten wir dafür ausgegeben. Wir steckten nun in einer finanziellen Lage, die es von neuem notwendig machte, im Glauben auf den Herrn zu schauen. Wir wussten nicht, wie wir die Mittel für die Rückreise aufbringen sollten.

Im Fahrkartenbüro sagte uns der Agent, dass sie lange Zeit nur Karten für die 1. Klasse verkauft hätten. Doch das Schiff, mit dem wir kommenden Montag unsere Weiterreise antreten wollten, hätte auch Kajüten 2. Klasse, wodurch wir dann insgesamt 50 Dollar sparen würden. Wir wollten den Sonntag auf einem anderen Teil der Insel verbringen und der Agent sagte zu, uns die Fahrkarten nach unserer Rückkehr am Montag zu verkaufen.

Am Montagmorgen eröffnete uns dann der Agent, dass er am Sonntagabend vergeblich versucht hätte, uns zu erreichen. Das Gepäck der 2. Klasse müsste vor der Abfahrt desinfiziert werden. Es sei jedoch bereits alles zur Desinfektionsstation abgesandt worden. Wir kämen zu spät und könnten auch keine Karten mehr kaufen. Doch wir entgegneten ihm, dass wir seinen Anweisungen gefolgt wären und nun müsse er uns auch aus unserer schwierigen Lage befreien. Aber er bedauerte, uns nicht helfen zu können, da unser Gepäck nicht mehr desinfiziert werden könne.

„Werden Sie uns Karten verkaufen, wenn wir unser Gepäck selbst zur Desinfektionsanstalt bringen?“

Der Mann zögerte einen Augenblick, schaute auf seine Uhr und sagte dann: „Wenn sie innerhalb einer Stunde mit der schriftlichen Bestätigung von der Station zurück sind, dass ihr Gepäck desinfiziert worden ist, erhalten Sie von mir die Fahrkarten.“

Unser Gepäck lag eine Meile vom Ort unserer Verabredung entfernt und Br. Khan hatte seine Sachen an einem anderen Platz abgestellt. Autos gab es in jenen Tagen noch nicht. Ich fuhr mit Arlo in einer Droschke davon, während sich Br. Khan um seine Sachen bemühte. Nach kurzer Zeit trafen wir uns am Schiffsdock wieder und nun galt es, auf dem schnellsten Weg die Station zu erreichen, die in einiger Entfernung von der Küste lag. Einige Bootsführer standen um uns, jeder wollte uns hinüberfahren und nannte dabei die verschiedensten Preise. Wir vertrauten uns dann einem jungen Mann an, der einen Schilling forderte und versicherte, uns zur rechten Zeit zurückzubringen. In kurzer Zeit waren wir an der Station und, obwohl die Ausstellung der Bescheinigung etwas lange dauerte, uns verblieb noch genügend Zeit zur Rückfahrt.

Ich war zu gut mit den Listen dieser Bootsleute bekannt, die es wohl verstanden, aus gewissen Verlegenheiten der Reisenden Geld zu schlagen. Mitten auf dem Wasser, wo der Reisende völlig auf sie angewiesen war, forderten sie oft einen bedeutend höheren als den vorher abgemachten Preis, und so rechnete ich auch jetzt mit einem ähnlichen Manöver.

Meine Befürchtungen erwiesen sich nur zu schnell als begründet. Auf halbem Weg zur Küste stoppte unser Mann und sagte: „Mein Herr, wissen Sie auch, wieviel Sie mir schulden?“

„Einen Schilling“, entgegnete ich.

„Nein, 2 Schillinge“, sagte er.

Nun setzte er sich in das Boot, als wolle er keinen Ruderschlag mehr machen, bis das geforderte Geld gezahlt war. Ich drohte ihm nun, jedes Entgeld zu verweigern, wenn er uns nicht zur rechten Zeit zur Küste zurückbrächte, wie er uns versprochen hätte.

Nun sah er, dass sein Trick fehlschlug, ergriff kräftig seine Ruder und brachte uns zur rechten Zeit an Land. Da ich wusste, dass der Handel noch nicht fertig war, sandte ich Br. Khan eilend zum Fahrkartenbüro, während ich den Bootsmann abfertigen wollte.

Ganz gemächlich holte ich einen Schilling aus meiner Börse und reichte ihn dem Mann. Doch er schrie: „Zwei Schillinge, zwei Schillinge“, und weigerte sich, das gebotene Geld zu nehmen. Als ich Miene machte, den Schilling wieder einzustecken, nahm er ihn an und rief nach Bruder Khan. Doch ich sagte ihm, dass mit dem Schilling auch Br. Khans Gepäck bezahlt sei und bot ihm noch einen halben Schilling an, den ich ihm bei unserem rechtzeitigen Eintreffen zugedacht hatte.

„Ist das alles?“, rief er.

„Mehr erhalten Sie nicht.“

Als ob er einen Dieb verfolgte, rannte er nun, begleitet von zwei oder drei seiner Kollegen, hinter Br. Khan her.

Als ich dann ebenfalls im Büro erschien, hatte sich dort ein großer Tumult entwickelt. Mit den Worten: „Herr Byrum, was ist denn an der ganzen Geschichte wahr?“, empfing mich der Agent.

Als ich ihm den Hergang erzählt hatte, sagte er: „Sie haben dem Mann mehr gezahlt, als Sie brauchten. Er hat keinen Anspruch auf mehr Geld.“

„Er erhält auch nichts mehr von mir.“

Darauf sagte der Bootsmann zu mir: „Ist das Ihre Art, so einen Menschen zu behandeln?“

„Ja, so behandle ich die Menschen. Ich gebe mehr als ich vorher versprochen habe.“

„Ich fordere Sie auf, mit mir zur Polizei zu gehen.“

„Sobald ich meine Karten habe, gehe ich mit Ihnen gern zur Polizeistation. Man wird Sie dort schon gut verwahren.“

Jetzt eilte der Mann davon und hatte keine Lust mehr, mit mir zur Polizei zu gehen.

Von Trinidad fuhren wir nach Jamaika und verlebten einige Zeit im Missionswerk von Bruder und Schwester Olson. Bei unserer Abreise erhielten wir eine Geldspende von 7 Pfund.

Als wir unsere Fahrkarten von Santiago nach Havanna, Kuba, lösten, erhielten wir ganz unerwartet eine Fahrpreisermäßigung von 11 Dollar.

Nach den Angaben des Agenten kostete die Weiterfahrt von Havanna nach Port Tampa 25 Dollar. Doch der Mann musterte uns zunächst von oben bis unten und sagte dann: „Sie können auch im Zwischendeck fahren, doch ich nehme an, dass Sie dazu keine Lust haben.“

„Wie hoch ist der Preis für Zwischendeckpassagiere?“

„Fünf Dollar.“

„Haben wir dann bei der Landung dieselben Vorrechte wie die anderen?“

Als der Mann dies bejahte, kaufte ich drei Karten für das Zwischendeck. In einem Tag und einer Nacht war unser nächstes Reiseziel erreicht und wir hatten 60 Dollar gespart. Darüber war unsere Freude groß, war doch damit der Verlust, der durch die Missionsspende entstanden war, wieder ausgeglichen, und wir hatten nun genügend Geld zur Heimfahrt.