Einiges über Erdbeben und ihre schrecklichen Folgen

Erdbeben sind in den USA eine seltene Erscheinung, ausgenommen im südwestlichen Teil des Landes. Die schwersten, an die ich mich noch erinnere, ereigneten sich im Jahre 1866 in Charleston, S. C., am 18. April 1906 in San Francisco, CA, und am 29. Juni 1925 in Santa Barbara, CA. Es ist schier unmöglich, die Stätte derartiger Katastrophen zu beschreiben. Millionenwerte wurden in Minuten vernichtet und die Ruinen ganzer Stadtteile, unter denen Hunderte von Menschen begraben lagen, waren Orte des Grauens.

Als ich im Jahre 1904 durch Asam im Nordosten Indiens rei­ste, wurde ich wieder Zeuge davon, was ein Erdbeben anrichten kann. Ein Mann zeigte mir die Stelle, wo ein Haus stand, in dem sich 30 Männer aufhielten, als die Erde anfing zu beben und zu ber­sten. Er stand gerade im Hauseingang, als er mit Grauen sah, dass sich die Erde unter dem Haus öffnete. Geistesgegenwärtig gelang es ihm noch, über den sich bildenden Erdspalt zu springen. Von panischer Furcht ergriffen, lief er davon und hielt in seinem Lauf erst inne, als er sich in Sicherheit wusste. Inzwischen war das Haus mit den anderen 29 Insassen in die Tiefe der Erde gestürzt und der verderbenbringende Riss hatte sich wieder geschlossen. Nicht eine Spur des Hauses oder der Menschen, die darin waren, war geblieben.

Als ich nach Westen schaute, gewahrte ich eine kleine Bergkette und eine Eisenbahnlinie, die in der Nähe der Bergspitzen verlief. Auch dort war die Erde längs der Bahnlinie geborsten und ein gähnender Abgrund tat sich auf. An einer Stelle war die Lokomotive kopfüber hineingestürzt und nur der hintere Teil des Tenders ragte noch aus dem Schlund heraus. An einer anderen Stelle waren zwei oder drei Güterwagen im Abgrund verschwunden und nicht weit davon standen noch einige Wagen auf dem Gleis, während der Rest ebenfalls von der Erde aufgenommen worden war. Überall konnte man sehen, wie ganze Wagenzüge oder Teile davon in die Tiefe gestürzt waren.

Eines Tages hielt ich mich in einem Haus auf, das weniger als zwei Kilometer von jener Stelle entfernt lag. Ich schrieb gerade Briefe an die Lieben daheim, als ich von einer mächtigen Erschütterung der Erde überrascht wurde. Die Fenster klirrten und das Haus wankte und zitterte. Ein Mann, der das letzte Beben miterlebt hatte, kam eilends gelaufen und sagte: „Was ist das?“

„Ein Erdbeben“, antwortete ich.

Er war sehr erschrocken. Da ich jedoch ruhig blieb und nicht von meinem Platz aufstand, wurde auch er gefasster. Doch diesmal war kein sichtbarer Schaden angerichtet worden.

Einige Tage später, als wir uns von jenem Platz einige Meilen entfernt hatten, bemerkten wir einen tiefen Abgrund an einer Seite der Straße, die sich den Berg hinaufwand. Unten im Tal lagen tausende Tonnen von Felsstücken, die sich an jenem Tage, als wir von dem Erdstoß überrascht wurden, von der Bergspitze gelöst hatten und in die Tiefe gestürzt waren. An einigen Stellen war die Straße bis an den Rand des Abgrundes mit Felsstücken besät. Unsere Gesellschaft bestand aus zwölf Reisenden und zwei Packpferden. Es galt nun, diese von Felsmassen verschütteten Stellen zu passieren. Ich begann, Schritt für Schritt die gefährliche Stelle zu überqueren, indem ich mit einer Hand ein Pferd am Zügel führte und mit der anderen kleinere, im Wege liegende Felsstücke wegräumte. Als wir wieder die feste Straße unter den Füßen hatten und zurückschauten, staunten wir über die gewaltige, zerstörende Macht der Naturkräfte im Erdinnern und wunderten uns nicht, dass die Fenster unseres Hauses gezittert hatten.

Als wir im Jahre 1910 in Jamaica, B.W.I., weilten, besichtigten wir die Ruinen der Stadt Kingston, die im Jahre 1909 durch ein Erdbeben zerstört worden war, wobei 1100 Menschen umkamen. Obwohl bereits längere Zeit seit der Katastrophe vergangen war, waren all ihre furchtbaren Folgen noch so gut zu sehen, als hätte sich das Furchtbare erst gestern zugetragen. Eine Straße, in der vorwiegend aus Ziegelsteinen gebaute Häuser standen, war ein einziger Trümmerhaufen. Niemand bemühte sich, den Ort des Grauens zu reinigen und die Stadt wiederaufzubauen.