Ein Traum und seine Folgen

Im Juni des Jahres 1898 verlegten wir unser Verlagswerk von Grand Junction nach Moundsville. Einige Wochen vor unserer Abreise hörte eine Schwester, die 6 Meilen von unserer Stadt entfernt wohnte, von unserem Vorhaben. Sie war darüber ganz bestürzt und es störte ihren inneren Frieden sehr.

Eines Nachts träumte sie nun, dass eine größere Versammlung abgehalten wurde. Sie sah vorne an der Bußbank mehrere Menschen knien, die Erlösung suchten. Einige Mitarbeiter aus dem Verlagswerk bemühten sich um diese Seelen. Plötzlich lief der Zug nach Moundsville ein und alle Mitarbeiter des Verlagswerkes brachen sogleich auf, ohne sich weiter um die suchenden Seelen zu kümmern. Einige anwesende Prediger und Gemeindeleiter sagten: „Einfach die Lieben am Altar zu verlassen und abzureisen, kann unmöglich nach dem Willen Gottes sein. Es gibt hier doch so viel zu tun.“

Erregt und bedrückt von diesem Traum erwachte sie und deutete ihn nach der dunklen Seite. Sie grämte und verzehrte sich, seufzte und stöhnte, betete und sprach mit anderen darüber. Schlaf und Appetit wichen. Schon eine Woche hielt dieser Zustand an. Die Zerstörung des Verlagswerkes, der Untergang der Arbeiter und weiteres Unheil stand vor ihrer Seele. Allerlei trübe Bilder und böse Ahnungen beschäftigten sie Tag und Nacht, denn sie glaubte, dass dies Unternehmen der Brüder dem Willen Gottes entgegen sei und dass deshalb allerlei Schwierigkeiten die Folge dieses Verfehlens sein müssten. Die Schwester machte den großen Fehler, dass sie den Traum ihren Gefühlen gemäß auslegte, wie es ja so viele Menschen tun, und alle Anregung zum Gebet erfolgte von diesem Standpunkt aus. Ihre falsche Auslegung und das Missverstehen waren die Ursachen für ihre Nöte und Schwierigkeiten.

Als ich eines Tages an ihrem Hause vorbeiging, bat sie mich, doch einzutreten. Ich folgte der Einladung und nun berichtete sie mir von ihren Nöten und Befürchtungen und erzählte auch ihren Traum. Nachdem ich sie ruhig angehört hatte, erklärte ich ihr, dass ihre Besorgnis von einer verkehrten Auslegung des Traumes käme. Sie aber entgegnete:

„All die Mitarbeiter des Verlagswerkes schienen kein Interesse mehr für diejenigen zu haben, die doch ihr Seelenheil suchten“.

„Es war kein Grund für sie vorhanden, ungewöhnlich für die Lieben besorgt zu sein, weil sie wussten, dass Prediger und andere Brüder in genügender Zahl vorhanden waren, um denen behilflich zu sein, die Gott suchten.“

„Aber wie konnten sie nur so froh sein, als sie uns verließen, wo doch alle ihr Bleiben wünschten?“

„Sie durften das wohl, weil sie wussten, dass sie dorthin gingen, wo es noch größere Arbeit für ihren Herrn zu tun gab.“

„Und das dunkle Loch, in dem sie verschwanden, was bedeutete das?“

„Inmitten der Berge West Virginias herrscht große geistliche Dunkelheit, und die Menschen dort rufen nach dem reinen Evangelium. Ist es nicht so, als würde ein Licht in diese Dunkelheit gebracht? In diesem Teil des Landes, in dem du lebst, hören die Menschen das Evangelium in seiner ganzen Fülle schon seit Jahren. Sie hatten das Licht unter sich. Kannst du nicht deine Wünsche und Gefühle denen opfern, die nicht immer eine gute Gelegenheit gehabt haben und die nun rufen, dass das Evangelium gleich einem Licht in ihre Finsternis scheine, in dem dunklen Loch, das du im Traum schautest? Ferner ist unser Verlagswerk auch diesem kleinen Dorf entwachsen, das keine Bank hat und nicht ein genügend großes Geschäftshaus für unser Werk besitzt.“

Nach einem Augenblick des Schweigens sagte die Schwester: „Dank sei Gott: Nun ist mir alles klar. Ich wollte euch nicht ziehen lassen, darum legte ich meinen Traum verkehrt aus, und daraus erwuchsen mir dann solche Schwierigkeiten. Du hast mir die Dinge im wahren Licht gezeigt. Ich fühle, dass eine schwere Last von mir gewichen ist. Nun kann ich allen freudig zurufen: ‚Geht, und der volle Segen Gottes sei mit euch!‘“