Die wütende Redekünstlerin

Als ich im Jahre 1895 in Kalifornien mit Bruder Daugherty Gottesdienste hielt, entschloss sich ein junger Mann, der bisher einer irdischen Beschäftigung nachgegangen war, und nun vom Herrn einen Missionsauftrag erhalten hatte, sein ganzes Leben für die Sache des Herrn zu weihen. Dies missfiel jedoch sehr seiner Frau, die eine der besten Vortragskünstlerinnen an der Küste des Pazifischen Ozeans war. Obwohl der Mann seiner Frau gegenüber betonte, dass dies sein persönlicher Entschluss sei, sprach sie wegen des Schrittes ihres Mannes scharfe Worte gegen uns aus und ließ uns durch ihn mitteilen, dass sie uns schon sagen werde, was sie von uns denke. Ihr Mann warnte uns nun, dass wir auf alles gefasst sein sollten, wenn seine Frau eines Tages zu uns käme.

Eines Tages sahen wir sie wirklich. Ihr ganzes Wesen verriet große Erregung. Sie ließ mich auf den Flur rufen. An ihrer eindrucksvollen und freien Rede war unschwer die Rednerin von Beruf zu erkennen. Ihre Rede und Bewegungen waren voller Kraft. Ich hatte schon gehört, dass Menschen vor Wut der Schaum aus dem Mund kommt, doch noch nie zuvor hatte ich solches erlebt. Diese Frau schien jetzt ein Dämon zu sein. Mit einem eindringlichen, dabei aber höchst verletzenden Ton begann sie: „Herr Byrum, ich kam hierher, um Ihnen mitzuteilen, dass ...“

Während sie sprach, widerstand ich dem bösen Geist in dieser Frau, befahl ihm, zu schweigen und bat Gott, das Temperament dieser Frau zu besänftigen. Sofort war sie wie verändert und in der liebenswürdigsten Weise fuhr sie fort: „Herr Byrum, ich, ich glaube, dass Sie meinem Mann helfen können.“

Ich sagte ihr, dass ich alles tun würde, was in meiner Macht stände, um ihm behilflich zu sein.

„O, wie würde ich mich freuen, wenn Sie ihm mit Ihrem Einfluss zur Seite ständen, ist er doch oft recht schwach, und jede Ermutigung von Ihrer Seite wird ihm eine Stütze sein.“ Mit einem freundlichen Lächeln auf dem Gesicht schied sie von mir.

Kaum hatte sie die Straße erreicht, übermannte sie der Böse, wie er einst Saul übermannte, als er den Spieß nach David warf. Sie kehrte um, rannte die Treppe hinauf und als sie wiederum auf dem Flur vor mir stand, schien sie ärgerlich zu sein, weil sie mir nicht das gesagt hatte, was sie hierher getrieben hatte. Still betete ich wieder wie vorher. Mit großer Heftigkeit begann sie: „Herr Byrum, ich kam hierher, um Ihnen zu sagen, was ich von Ihnen denke. Sie sind ein – ein – Freund meines Mannes und ich hoffe, Sie werden für ihn tun, was in Ihren Kräften steht.“ Den letzten Teil des Satzes sprach sie mit freundlicher Stimme. Wieder rauschte sie hinaus und kehrte nicht mehr zurück.

Als ich am nächsten Tag die Goldenes Tor Allee überschritt, hörte ich meinen Namen rufen. Ich wandte mich um, sah aber niemand. Ich schritt weiter und noch einmal schallte mein Name  an mein Ohr. Jetzt gewahrte ich auf der anderen Seite der Allee jene Künstlerin, die mir zurief, doch zu ihr zu kommen.

Augenscheinlich wollte sie nun alles nachholen, was sie tags zuvor unterlassen hatte. Wieder begann sie mit verletzender und herausfordernder Stimme und wieder betete ich zu Gott. „Herr Byrum“, sagte sie, „ich habe Sie gerufen, um Ihnen einmal meine Meinung über Sie zu sagen und Ihnen mitzuteilen, dass ich glaube, Sie können meinem Mann helfen. Ich würde mich darüber sehr freuen.“ Nach diesen Worten rannte sie davon, wütend, dass sie mir die zugedachte Lektion wiederum nicht hatte erteilen können. Der Herr hatte ihr nicht erlaubt, ihre Absicht auszuführen.